Ich Sieze.

Ab 2021 werde ich in Sozialen Medien nicht mehr jeden duzen, sondern generell zum „Sie“ übergehen, also siezen.

„Oft ist es gar nicht so einfach, zu entscheiden, ob man beim Sie bleiben soll oder zum Du übergehen kann. Sicherlich gibt es einige Bereiche oder Branchen, in denen das Duzen an der Tagesordnung ist. Grundsätzlich ist im Geschäftsleben oder bei neuen Kontakten aber zunächst das Sie die korrekte Ansprache und gerade im beruflichen Umfeld wird dadurch eine notwendige und durchaus nützliche Distanz gewahrt; es ist durchaus möglich, dass sich Menschen bedrängt oder nicht respektiert fühlen, wenn sie ungefragt geduzt werden.“

(https://www.duden.de/sprachwissen/sprachratgeber/Duzen-oder-Siezen)


Das Problem ist: die Stimmung im Diskurs wird in eine bestimmte Richtung gelenkt, wenn man duzt – und diese ist eine andere als die beim Verwenden des „Sie“. Das hat mit unserer (berechtigten) Erwartung von Respekt und Höflichkeit zu tun, wie Dunja Hayali äußert:

Zunächst mal muss man aufpassen, die asozialen Medien nicht mit jener Art und Weise zu verwechseln, wie Menschen miteinander umgehen. Meist sind sie im echten Leben nämlich deutlich angenehmer und höflicher. Das merke ich, wenn ich einen „Hater“ anrufe.
Trotzdem erleben wir seit Jahren den Trend, dass die Achtung vor anderen Menschen sinkt. Egal, wo sie herkommen, woran sie glauben oder wen sie lieben. Dass bestimmte Plattformen nun reagieren, ist zwar toll, aber sie haben selbst nichts zu dieser Entwicklung beigetragen. Die Medienunternehmen reagieren lediglich auf wirtschaftlichen Druck, weil Werbetreibende nicht mehr in diesem Umfeld investieren wollen. Letztendlich ist es ein Armutszeugnis für Facebook, Twitter und Co.“

(Dunja Hayali im Interview mit Teleschau.de, zitiert nach https://de.nachrichten.yahoo.com/hater-echten-leben-deutlich-höflicher-220000368.html)


Wenn man in einem kommunikativen Gespräch bleiben möchte, empfiehlt sich nach meiner Erfahrung das höfliche, respektvolle „Sie“ – das „Du“ ist oftmals kumpelhaft-anbiedernd, und passt nicht zu einem offenen Meinungsaustausch. Gesprächspartner:innen werden oft zu Gesprächsgegner:innen – was in Sozialen Medien sehr verbreitet, aber eben nicht zielführend ist.

Ich bin deshalb auch ausdrücklich mal nicht der Meinung von Rezo, der ein Siezen in Sozialen Medien (genau umgekehrt) als respektlos empfindet:

„Der Grund: Das Sie ist nicht immer und überall die höfliche und respektvolle Form der Anrede, sondern ein verbliebenes Symbol der Macht und speziell dann ein Zeichen der Respektlosigkeit, wenn es in Zusammenhängen benutzt wird, deren Gesprächsregeln längst anders definiert sind. Zum Beispiel Twitter.

(https://www.zeit.de/kultur/2020-01/soziale-medien-hoeflichkeit-anrede-twitter-saskia-esken-rezo)


Ich meine nicht, dass sich bereits allgemeingültige „Gesprächsregeln“ für Soziale Medien etabliert haben – wir sind (immer noch) dabei, diese zu suchen. Auch auch dafür dient mein Ansatz ab 2021: Etwas mehr Respekt und Höflichkeit einbringen.

Denn: Soziale Medien funktionieren zwar anders als die analoge Welt der Kommunikation – aber dennoch nicht komplett anders. Peter Walschburger, Professor für Biopsychologie an der Berliner Freien Universität: 

„Lebewesen, die – wie wir Menschen – in sozialen Gruppen leben, suchen seit uralter Zeit die Nähe verwandter, vertrauter oder mindestens bekannter Artgenossen und meiden eher fremde Sozialpartner. Distanzregulierung ist deshalb ein grundlegendes Geschehen in der Natur sozialer Beziehungen. Vor allem beim Menschen dürfen wir uns nicht nur auf die räumlich-metrische erfassbare Distanz beschränken, sondern müssen etwa den freundlichen oder abweisenden Gesichtsausdruck mitberücksichtigen, aber auch den Blickkontakt, die Gestik, schließlich auch sprachliche Äußerungen wie das Duzen und Siezen.“

(zitiert aus https://www.welt.de/wissenschaft/article156114627/Duzen-Sie-noch-oder-siezt-du-wieder.html)


Deshalb: ich sieze ab jetzt in Sozialen Medien. Aus Respekt und Höflichlichkeit den Gesprächspartner:innen und Leser:innen gegenüber. In der Sache übrigens weiterhin klar und deutlich – ob das allen gefällt, hat nichts mit dem Thema „Duzen oder Siezen“ zu tun.

Noch zwei Anmerkungen:
Das Hamburger „Sie“ soll zur Anwendung kommen.

„Das Hamburger Sie ist eine Form der Anrede in der deutschen Sprache, bei der man jemanden beim Vornamen nennt und dazu siezt (Beispiel: „Frank, kommen Sie bitte mal?“). Es stellt einen Mittelweg für Kommunikationssituationen dar, bei denen man sich einerseits nicht vertraut genug zum Duzen ist, andererseits das Anreden mit dem Nachnamen als zu distanziert empfunden wird.“

(https://de.wikipedia.org/wiki/Hamburger_Sie)


Und – natürlich: Gute Bekannte, Freund:innen und Familienmitglieder:innen, die ich auch analog „auf der Straße“ duze, werde ich auch in den Sozialen Medien duzen. Und anders herum.

Bild von Mary Pahlke auf Pixabay